31.01.10

Der traurige Baum

Ein Gärtner pflanzte eines Tages mit seiner Frau einen Baum.
Der Baum fand es schön, in der Sonne zu stehen,
und er war glücklich,
auf der Welt zu sein und zu wachsen.
Als er auf die Idee kam,
sich mehr zur Seite hin zu entfalten,
weil von dort mehr Sonne auf seine Blätter kam.
Da konnte es der Gärtner nicht länger dulden,
in seinem Garten einen schiefen Baum zu haben.
Seine Frau gab ihm natürlich recht."Hol eine Schere,
denn wir wollen unseren Baum gerade schneiden".
Der Baum weinte.
Aber da sie sagten, dass sie ihn lieb hätten und es gut
mit ihm meinten, ergab er sich seinem Schicksal.
Der Gärtner fand,
er sei ein braver Baum.
Allmählich begann der Baum zu verstehen
lieb und gut war er nur,
wenn er tat, was der Gärtner wollte;
tat er hingegen, was ihm Freude machte,
dann war er ein böser Baum.
Jetzt wuchs er in die Höhe.
Aber auch das lag nicht im Sinne des Gärtners.
Er stutzte die Äste.
Darüber weinter der Baum die ganze Nacht.
Als er sich schließlich beruhigt hatte,
sagte er sich:
"Wenn nicht in die Höhe, dann eben in die Breite."
Der Gärtner erklärte alsbald:
"Das könnte dir so passen!"
Und seine Frau pflichtete ihm bei.
Der Baum weinte nicht mehr, er hatte keine Tränen mehr.
Er hörte auf zu wachsen;
denn das Leben machte ihm keine Freude mehr.

Nach vielen Jahren kam ein kleines Mädchen
mit seinem Vater an dem Baum vorbei,
der inzwischen erwachsen geworden war.
Das Mädchen, das den Baum mitfühlend ansah, fand,
daß er traurig war.
"Den hat bestimmt niemand richtig geliebt...
ich glaube,
der wollte mal ganz anders wachsen, durfte aber nicht.
Und deshalb ist er jetzt traurig."
Vielleicht - entgegnete der Vater ganz nachdenklich.
" Aber wer kann schon wachsen, wie er will ?
Weißt du, keiner darf so wachsen , wie er will,
weil sonst die anderen merken würden,
daß auch sie nicht so gewachsen sind,
wie sie es eigentlich einmal wollten."
Das Kind verstand nicht, was der Vater meinte.
Langsam gingen sie weiter.
Das kleine Mädchen konnte dieses Gespräch
und den traurigen Baum nicht vergessen.
Auch der Baum,
der den beiden zugehört hatte, dachte lange nach.
Er schaute den beiden hinterher.
Als er sie nicht mehr sehen konnte,
da begriff er,
und er begann, hemmungslos zu weinen.

29.01.10

Die hl.Katharina liebte die Natur,

sie verstand ihre süßen
Harmonien,
sie nahte sich ihr gern,
und das erklärt uns ihre
häufigen Reisen um Siena.
Eine himmlische Wanderin,
ging sie über die Erde hin
und betrachtete da die
Spuren GOTTes.
Während sie ihren Schülern,
die mit glänzenden Blumen
geschmückten Blumen zeigte,
sprach sie fröhlich zu ihnen:
Dies Alles ehrt GOTT
und erzählt von seiner Pracht.
Zwei Blumen herrschen in
unseren heiligen Liturgien,
die Lilie und die Rose;
wenn die Rose sich entblättert,
erschließt sich die Lilie,
und das immer und überall im Gange der Menschheit,
wie im Laufe einer Jahreszeit,
in der moralischen Welt wie in unsern Gärten.
Die großen Rosen der Basiliken blühen in der Sonne auf
und schimmern in den großen Schiffen;
und auf den Altären hält die hl. Jungfrau,
die mystische Rose, einen Lilienzweig in ihrer Hand. . .

( Emil Charvin von Malan)
(Katharina von Siena)
(1347 - 1380)